Drucken

Da liegt sie nun - an der Ortseinfahrt in dem kleinen Badeort Schillig und verbindet die Weite der ostfriesischen Landschaft mit dem Deich, vielleicht aber liegt sie hier auch vor Anker, inmitten der aufgereihten Wohnbebauung: die neue katholische St. Marien Kirche, die Kirche am Meer.

Während das Sockelgeschoß der Kirche den Maßstab der Wohnbebauung aufgreift, erzeugt der Turm Dominanz zur Straße und sorgt auch für die Wahrnehmung auf dem vor dem Deich liegenden Campingplatz und Strand. Aber Kardinal Karl Lehmann schreibt in seinem Vorwort zur Arbeitshilfe 175 „Umnutzung von Kirchen“, herausgegeben vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003: „Eine Kirche ist ja nicht irgendein Gebäude. Eine Kirche ist nicht nur eine orientierende Landmarke, ein architektonischer Akzent in unseren Städten und Dörfern oder schützenswertes Denkmal. Für uns katholische Christen ist jedes Kirchengebäude zunächst Haus Gottes, Haus für die Feier des Gottesdienstes der Gemeinde und Haus des Gebetes für jeden Einzelnen. (...) So sind unsere Kirchen steinerne Zeugen des Glaubens und – in ihrer architektonischen und künstlerischen Verschiedenheit – Gestalt gewordene Theologie.“

Diese „Gestalt gewordene Theologie“ fordert die Phantasie der Betrachter heraus und lässt biblische Vergleiche zur Arche Noah, zu Jonas Walfisch und zum geteilten Roten Meer durch Mose genauso zu, wie die Bezeichnung des Daches durch Jugendliche aus der Skater-Szene als „God’s Halfpipe“ oder wie den Titel: „Die perfekte Welle“.

Dabei übernimmt der Neubau im Wesentlichen die Lage des Vorgängerbaues. Durch die neu geschaffene Wegverbindung zwischen Straße und Deichweg entsteht eine Passage, welche die Besuchereingänge der Kirche mit dem bereits vorhandenen Begegnungszentrum in Beziehung setzt. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt der Eingang zur Sakristei, welcher zum ebenfalls vorhandenen Pfarrhaus ausgerichtet ist.

Vor der Kirche zur Straße orientiert, entsteht ein gepflasterter Platz mit Einzelbaum. Zum Deich erschließt sich eine Wiese mit einer aufgelockerten Begrenzung durch die vorhandenen Bäume und die Skulptur des tanzenden Christus.

Aus dem Grundsockel, einem Kubus, welcher den räumlichen Bezug zur Umgebung herstellt, wächst ein lateinisches Kreuz mit abgerundeten Kanten. Aus diesem Kreuz heraus entwickeln sich der Turm (20 m) und die Überhöhung des Chorbereiches (14 m). Aber die fließende Kreuzform durchstößt auch die Erdgeschossdecke und es entstehen in der Überschneidung und Aussparung mit dem Sockel ein überdachter Eingangsbereich sowie eine Nische gegenüber dem Pfarrhaus. Die Restflächen im Sockelbereich werden geschickt durch die Sakristei, den Beichtraum, die Marienkapelle oder die Nebenräume genutzt. Eine Kombination aus sparsam eingesetzten lichtdurchlässigen Fenstern und runden Oberlichtelementen führt zu guten Lichtverhältnissen in den Räumen, ohne den blockhaften Gesamteindruck des Sockels zu mindern. Durch eine mit der Sockelattika bündigen Lärchenschalung wird dieser Eindruck noch verstärkt.

Die Konzeption des Ehepaars Königs und ihrer Mitarbeiter orientiert sich zunächst an Vorhandenem, verändert es in Form und Farbe und lässt so ein Gebäude entstehen, welches sich den örtlichen Bezügen wieder entzieht. So fällt die Wahl auf einen Klinker im Oldenburger Format, ein in dieser Gegend übliches Baumaterial. Für den Kirchenbau wird der Stein nach dem normalen Brennvorgang jedoch zusätzlich gedämpft und erhält dadurch seine lebendige, grau silbrig glänzende Oberfläche, die im normalen Wohnhausbau nicht vorzufinden ist. Zusätzlich wird der Stein überwiegend geschwungen verarbeitet und schließlich wird die den Sockel durchstoßende Form des Kreuzes wie ein massiver roher Tonblock mit dem Draht frei durchtrennt und das Oberteil zwischen Turm und Chor entfernt. Es entsteht eine Schnittkante, die frei die Steinschichten durchteilt und die in der praktischen Ausführung den Bauhandwerkern einiges abverlangte, zumal der Kantenverlauf durchgehend flüssig aussehen soll und auch eine baukonstruktiv richtige und dichte Dachkante entstehen muss.

Kombiniert wird der dunkle Stein im überdachten Eingangsbereich mit grau eingefärbtem Sichtbeton als Deckenuntersicht und dem lebendigen Pflasterklinker. Dieser „dunkle“ Vorraum, welcher sich in der Materialität am Außenraum orientiert, steigert für den Besucher den erhebenden Eindruck beim Betreten des hellen Kirchenraumes.

 

An(ge)dacht

Dunkel und eintönig sind diese Steine nur auf den ersten Blick,
wer genauer hinsieht, erkennt, jeder Stein ist anders,
schimmert in seinem eigenen Glanz, seiner eigenen Farbe,
seiner eigenen Prägung.
So wie der Petrus uns gedacht hat als Kirche,
Haus aus lebendigen Steinen.
(Lars-Jörg Bratke)

Lasst euch als lebendige Steine aufbauen zu einem geistigen Haus. (1. Petr 2,5)